Oktober 2017

Wilmas Schrecken

Ich habe dies selbst nicht erlebt, sondern eine vierzigjährige Frau, die nach einem intensiven Arbeitseinsatz als Kellnerin auf dem Münchner Oktoberfest im Herbst 2005 sich mit ihrem Mann zu einer Reise nach Mexiko aufmachte. Mit mitgebrachtem Schnupfen suchte sie Erholung in diesem wunderschönen warmen Land mit weißem Sand, Palmen, tollem Essen und rhythmisch temperamentvoller Musik. Leider konnte sie den Urlaub zunächst nicht genießen, da sie sehr krank wurde. Sie suchte einen örtlichen Doktor auf, der ihr gleich Antibiotika verschrieb. Leider half diese nicht, da dieses entweder zu schwach oder ihre Grippe zu stark war. Trotzdem machten sie einige Ausflüge und bewunderten die beeindruckende Landschaft.
Am letzten Tag ihrer Reise war am Hotel eine seltsame Geschäftigkeit. Merkwürdigerweise wurde die Terrasse mit Bändern abgesichert und man nagelte alle Fenster zur Seeseite mit Brettern ab. Busse kamen und brachen Urlauber in Richtung Landesinnere. Vorsichtig fragten sie an der Rezeption was das bedeute? Darauf die Anweisung sie sollen das Wichtigste zusammenpacken, wie Ausweis, Geld, ein Kopfkissen und eine Rolle Toilettenpapier. Danach ging alles sehr schnell, sie reihten sich ein und wurden sozusagen „abgeführt“. Mit einem Bus wurden sie zu einem Schulgebäude im Hinterland gebracht. Dort lagen sie dann aneinander gereiht am Boden und warteten ab. Zunächst eine äußert komische Situation, denn draußen schien die Sonne. Kaum zu glauben, daß Stunden später ein Hurrikan übers Land fegen würde. Sie bekamen Anweisungen was sie auf keinen Fall machten durften und auch nicht das Gebäude verlassen, wenn der Hurrikan da sei. So lagen sie lange da und warteten. Dann fing es an, wurde heftig und heftiger, ein gigantischer Sturm tobte. Es krachte und klirrte, die Herzen der Menschen voll Angst pochten wild. Sie hörten ganz furchtbare Geräusche und so zog es sich unendlich lange hin.  Als die ersten austreten mußten, wurde dafür ein Laken gespannt, in das nach und nach jeder seine Notdurft verrichtete.
Drei Tage mußten sie so am Boden ausharren, ernährten sich von mitgebrachtem Cornflags und Milch. Dann endlich wurde es still. Vorsichtig gingen sie vor die Türe. Es war gruselig mit grell gelben Licht und Blätter wirbelten umher. Aber das war noch nicht das Ende und sie wurden in das Gebäude zurück gerufen, denn kurz danach ging der Sturm erneut los. Der Austritt aus dem Auge von Hurrikan Wilma stand kurz bevor und nochmals krachte und klirrte die Welt um sie herum. Als das vorbei war, atmeten alle tief durch, dankbar noch am Leben zu sein. Sie hatten einen höllischen Weltuntergang überstanden. Doch war deren Leiden noch nicht voll überstanden, denn alle hatten fürchterlichen Hunger und Durst. Einige zogen los um etwas nahrhaftes zu organisieren. Dem Mann gelang es eine warme Hühnersuppe seiner leidenden Frau mitzubringen. Aber dies war nicht ohne Risiko, denn plötzlich erfolgte wegen Plündereien eine Schießerei. Jeder dachte wohl nur noch an sich selber.
Häuser waren komplett eingestürzt, riesige Krater in der Straßen, Menschen standen knöcheltief in Fäkalien.
Nach einer Woche wurden sie mit nassen modrigen Bussen abgeholt und zum Flughafen gebracht und aus dem Krisengebiet ausgeflogen. Am Flughafen war einchecken im Freien. Ein Meer an Wasserflaschen und Medikamente zur freien Entnahme lagen bereit. Extra Flieger standen bereit und brachten die Urlauber aus dem Grauen zurück in ihre geordnete Welt.  Die Frau immer noch mit ihrer Infektion und dem Gestank dieser Hurrikannotstandswelt, so hätten sie ein Jahr lang wie ein Clochard unter einer Brücke gelegen.
 

Copyright: Peter Burger

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