12. Februar 2015

Flüchtigkeit

Riechst du den Schnee, wenn die Luft ganz rein ist, man alles viel intensiver riecht. Egal ob das Essen oder den Kaffeduft, wenn die Nase frei ist, nicht verstopft vom Rotz einer Erkältung. Schneeluft ist frisch, kalt, rein und reflektiert ganz feine Eigendüfte, solange diese noch nicht erkaltet sind. Man sieht es an Pferdeäpfeln solange sie noch dampfen. So klar und deutlich kann man Tiere kaum riechen, deren Losungen und Urin. Wenn man das Katzenklo reinigt und Katzenurin riecht wirklich eklig, verfeinert sich der Duft auf dem Weg in Biotonne, bis nur noch feinere Tiernasen diese Spur aufnehmen können.

Nein, ich will nicht über Schneeluft oder Katzenurin schreiben, sondern über die Flüchtigkeit von Düften um uns herum. Gerade die ekligen und animalischen Düfte bleiben besonders intensiv haften. Wenn man in der Loge im Circus sitzt, wird man eingehüllt vom Eigenduft der Elefanten und Löwen. Für ein paar Minuten ist man voll in deren Duftnebel einer besonderen Exotik. Dagegen verblaßt selbst das süßliche Parfüm einer Frau daneben. Weniger angenehm die Schweissausdünstungen von Sportlern, in deren Kabinen man förmlich überwältigt von deren unangenehmen Düften wird. Ebenso schlimm ist es im Auto wenn neben einem ein miefender Zeitgenosse sitzt, der zudem noch intensiv Knoblauch zu sich nahm. Als Nichtraucher erträgt man den Qualm kaum in Räumen, noch weniger an der eigenen Kleidung, wenn diese ausgezogen diesen Duft noch einige Zeit verbreitet.

In diesem Nebel tausender unangenehmer Gerüche gehen die feinen Düfte fast unter und wenn dann eine Nase in einer blühenden Rose hängt, geht ein berauschender Atem in die Lungen und das Herz ist voller Glücksgefühl. Dabei ist dieser Duft auch im leichten Wind wahrzunehmen, wenn die Nase noch rein und unverdorben ist. Gerade im Mai der Fliederbusch, im Sommer die Rosen oder der Blütenkelch von Engelstrompeten verführt einen förmlich einzutauchen in diese betörenden Duftwelten, möchte man Nektar tanken wie die Insekten und verfällt dem Rausch der sinnlichen Liebe.

Duftwelten von Bäumen, Blumen, Tiere, Seen, Flüssen, vom Regen und Schnee, alles hat seine eigene Duftnote, die vom Wind getragen Nasen erreicht, wenn diese offen und bereit sind zu empfangen. Es ist die Flüchtigkeit des Momentes, der begeistert, uns täuscht oder abstößt. Genau diese Flüchtigkeit ist der Reiz des Momentes, der an jedem Ort wahrnehmbar ist. Diese Annahme der Naturgerüche, für viele Lebewesen die Überlebensgrundlage, ist für den Mensch ein Luxusartikel geworden, da er abgestumpft vor vielen Gerüchen sich ekelt. Dabei entscheiden Gerüche über Beziehungen, ob diese zusammenkommen oder sich trennen. Denn wer sich nicht oder nicht mehr riechen kann, wird das Weite suchen. Da hilft dann das beste schützende Parfüm nichts mehr, nicht der Zitronenduft in der Duftlampe oder ein frisch gewaschener Bettbezug. Wenn der feine Duft in einer Nase flüchtig etwas wahrnimmt, was der nicht behagt, driften Körper auseinander, ist Ärger in der Luft, beginnen geistige Kriege und noch weit mehr.

Da reicht manchmal schon der Duft aus Nachbars Küche unter oder neben einem, wenn diese durch die eigenen Tür- oder Fensterritzen zieht und dieser Gewürze wählt, die man selber nicht mag. Alles diese flüchtigen Duftmomente sind Reiz und Ekel im Leben, sind Impuls und Speerspitze, gehen tiefer als nur ins Blut.

Copyright: Peter Burger

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