26. September 2015

Anders sein

Ich war beim Friseur, die Haare waren zu lang und ich fühlte mich damit nicht mehr wohl. Ich hatte Glück, da der sonst volle Salon fast leer war und mich bald darauf eine junge Friseuse begrüßte, die mich schon einmal verschönert hatte. Sie stammt aus Kasachstan und ist nun seit drei Jahren in Deutschland. Das letzte Mal war sie so heiser, das sie kaum sprechen konnte. Also nutzten wir Hände und Mimik und sie strahlte ein ungewohnte Herzlichkeit ab. Diesmal konnten wir reden und sie erklärte mir, das sie die Menschen gerne berühre, das aber oft mißverstanden werde, was auch schon zu Ärger geführt habe. So rief ein Kunde bei der Zentrale der Frisörsalonkette an und beschwerte sich über diese Frau, welche nicht normal sei. Daraufhin bekam sie eine Kontrolle, die das überprüfte. Dabei ist sie nur herzlich, aber in einer Art welche anscheinend manchen Deutschen Angst macht. Ich wunderte mich auch schon, als sie mich kurz aber nett von hinten umarmte. Aber ich nahm es gerne an und lachte mit ihr. Sie erzählte mir auch vom anderen Humor in Kasachstan, der ihr hier auch schon fast zum Verhängnis wurde.
Als kurz vor Feierabend ein Mann des Salon betrat und fragte, ob er noch einen Haarschnitt bekommen könne, sagte sie im Spaß: “Was, sie wollen einen Haarschnitt von mir, wäre es nicht schöner mit mir nun Kaffe trinken zu gehen”.
Der Mann erschrak und wich zurück, bis sie ihm klarmachte, daß das nur ein Spaß war und er noch seinen Haarschnitt erhalte. Diese Unterschiede zwischen ihrem Geburtsland und ihrer neuen Heimat Deutschland machen ihr sichtlich zu schaffen. Da sie mit der Distanz und Kühle bei uns ihre Schwierigkeiten hat.
Ebenso entsetzte sie es, als sie Kinder auf dem Stuhl hatte, die ihr keine Auskunft geben durften, über ihre Schule oder was sie sonst machen. Der Vater erklärte später, das er einer speziellen Religionsgemeinschaft angehöre und in dieser Auskunft an Fremde nicht erlaubt sei. Auch die Kinder würden so erzogen. Die Friseuse  bedauerte diese Kinder sehr, was ich ebenfalls tat. Sie ist offen, lustig, herzlich und damit anders. Ich habe dies genossen und zum Schluß noch herzlich an der Schulter berührt, was ihr sichtlich gefiel. Nicht als Anzüglichkeit, sondern als Geste der Freundschaft zwischen weltoffenen Menschen, die einfach etwas anders sind, als “normal”.
Ich sagte ihr: “Lieber total verrückt, statt stinknormal.” Sie lächelte, da sie sich verstanden fühlte.
Mal abwarten wie lange diese nette liebe Frau in diesem Salon arbeiten wird, da anscheinend solche offenen Herzen darin auf Ablehnung stoßen, zumindestens bei Männern, die damit nicht umgehen können.

Copyright: Peter Burger

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